Glossar:Paragraph 11
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Allgemeine Definition

Wie bei so vielem im Studententum ist eine klare, eindeutige Bestimmung nicht zu treffen. Der “§ 11” lautet in der heiter-parodistischen Studentendiktion: Porro bibitur - Es wird weitergesoffen!

Urkundlich nachgewiesen ist die Ableitung von einer deutschen Handwerksordnung aus dem Jahr 1815, worin als Artikel 11 die Formulierung “Es wird weitergewandert!” vorkommt und besagt, daß die Wanderung eines Gesellen auch bei widrigsten Umständen nicht abgebrochen werden dürfe. Analog - so der Student - dürfe es auch keinerlei Ausrede geben, um mit dem Trinken aufzuhören.

Um die Mitte des 19. Jhs. taucht der § 11 in gedruckter Form in den studentischen Comments auf (z. B. “Neuer jenaischer Biercomment” 1853).

Regionale Unterschiede

Regional finden sich ganz unterschiedliche Erklärungen. So lehrt man bei einer Gymnasialverbindung in der Schweiz (Winterthur, Vitodurania?), der § 11 bedeute, daß nach Auflösung der Verbindung das ganze Verbindungsvermögen versoffen werde. Hier versteht man wohl das mathematische Zehnersystem als Einheit und die 11 als die Folge davon. Das ist aber eine zwar amüsante, aber völlig willkürliche Deutung, die wohl keinen Wahrheitsgehalt für sich beanspruchen kann.

Andere Forscher erklären den § 11 als Parodie auf die im 19. Jh. in den Schulen gerne gestellte Frage nach dem 11. Gebot - ein typischer Schulscherz, der auch wieder auf dem Zehnersystem als Ausdruck einer harmonischen Geschlossenheit beruht.

Auf derselben Basis (10 = Ganzheit, 11 ist deren Übertreffen) liegt die Deutung, der § 11 sei die Aufforderung, auch nach der Polizeistunde noch weiter zu zechen.

Bei einer Tübinger Verbindung, dem “Igel”, lautet der § 11 “A. V. K. L. W. H.” - eine deutliche Zitierung von Josef Viktor von Scheffels “Maulbronner Fuge” (siehe Kommersbücher), worin diese Abkürzung “All voll, keiner leer, Wein her!” bedeutet. Scheffel besaß die Ehrenmitgliedschaft des Igel; die Verquickung mit dem § 11 ist aber unzweifelhaft konstruiert.

In einer “Allgemeinen Kneip-Ordung” aus der Mitte des 20. Jhs. lautet der § 11: “Ergo bibamus!” - das ist dieselbe Art von Konstruktion.

In Österreich (und vielleicht auch darüber hinaus) zitiert man auch einen § 111: “Die alten Deutschen tranken immer noch eins, bevor sie gingen.” Das ist reine Zahlenästhetik - Paragraphen 12 bis 110 gibt es natürlich keine. Wer weiß, vielleicht konstruiert einmal jemand einen § 1111, der könnte z. B. lauten: “Selbst im Himmel verzichten wir nicht auf unseren edlen Stoff ...” oder so ähnlich.

Fazit

Eine punktuelle Deutung ist also nicht möglich. Die eingangs zitierte Ableitung von den Handwerksburschen hat noch am ehesten etwas für sich, weil es zwischen deren Sitten und jenen der Studenten vielerlei Übereinstimmungen gibt (etwa die Aufnahme- und Reinigungsrituale, Vulgo-Namen und eben auch Trinkgebräuche). So wird beim Anstechen eines Fasses bei manchen Handwerksgesellschaften noch heute mit Kreide “§ 11” auf den Faßdeckel geschrieben - vorausgesetzt sie finden noch eines der immer seltener werdenden Holzfässer. Gelingt es dem Gesellen nicht, dieses Zeichen schön lesbar anzubringen, wird er zum strafweisen Trunk ad fundum (eines Glases, nicht des ganzen Fasses!!) verdonnert.

 
 
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